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... Domainrecht ... Domain-Entscheidungen ... BGH-Weltonline.de-Grabbing

BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 – I ZR 207/01 weltonline.de [Domaingrabbing]

BGB § 826; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 3

a) In der Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domainname liegt in der Regel keine sittenwidrige Schädigung, auch wenn es naheliegt, daß ein Unternehmen diesen Domainnamen für seinen Internetauftritt verwenden könnte.

b) Der Inhaber des bekannten Zeitungstitels DIE WELT kann gegen einen Dritten, der sich den Domainnamen „weltonline.de" hat registrieren lassen, nicht vorgehen, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Domainname im geschäftlichen Verkehr in einer das Kennzeichen verletzenden Weise verwendet werden soll.

BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 - I ZR 207/01 - OLG Frankfurt a.M. LG Frankfurt a.M.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Mai 2001 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2000 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Domainnamen „weltonline.de" in jeder beliebigen Schreibweise (mit Ausnahme von „welt-online.de"). Die Klägerin ist die Axel Springer AG. Sie gibt seit Jahrzehnten die Tageszeitung „Die Welt" heraus. Dieser Titel ist seit 1973 auch als Marke geschützt. Die Klägerin präsentiert unter dem Domainnamen „welt.de" die elektronische Ausgabe ihrer Zeitung, die sie zumindest in der Vergangenheit auf der Internetseite selbst als „DIE WELT online" bezeichnet hat. Die Beklagte hat nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Domainnamen registriert, darunter zahlreiche generische Begriffe, geographische Angaben und mit einem Zusatz versehene Unternehmensnamen. Beispielsweise hatte sie im Jahre 2000 fast alle gängigen Automarken mit Zusätzen wie „boerse" registriert. Diese Domainnamen hat die Beklagte nach ihrer Darstellung nur ausnahmsweise zum Verkauf angeboten. Sie hat behauptet, die vielen Domainnamen dienten dazu, einen Internetführer aufzubauen. Unter den von der Beklagten registrierten Domainnamen befand sich 1998 auch der Domainname „welt-online.de". Die Benutzung dieses Domainnamens im geschäftlichen Verkehr ist der Beklagten rechtskräftig untersagt worden. Statt dessen ließ sich die Beklagte 1999 den Domainnamen „weltonline.de" registrieren. Ein von der Klägerin angestrengtes Verfügungsverfahren führte dazu, daß es der Beklagten untersagt wurde, den Domainnamen „weltonline.de" unabhängig von der Schreibweise zu benutzen und/oder benutzen zu lassen. Darüber hinaus war der Beklagten auch verboten worden, diesen Domainnamen für sich reserviert zu halten. Nach Erlaß dieses Verbots wurden die Domainnamen „welt-online.de" und „weltonline.de" im Oktober 1999 auf die Klägerin umgeschrieben. Das Landgericht hat allerdings im Jahre 2000 das Verbot, den Domainnamen „weltonline.de" für sich reserviert zu halten, als unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache wieder aufgehoben.

Der vorliegende Rechtsstreit ist das Hauptsacheverfahren zu diesem zweiten Verfügungsverfahren. Die Unterlassungsklage hat die Klägerin auf ihre Marke und ihren bekannten Titel „Die Welt" sowie auf den Titel „DIE WELT online" gestützt.

Das Berufungsgericht hat das vom Landgericht ausgesprochene Verbot im wesentlichen bestätigt, es dem geänderten Klageantrag entsprechend jedoch etwas anders gefaßt und im Hinblick auf das bereits abgeschlossene Verfahren über den Domainnamen „welt-online.de" geringfügig eingeschränkt (OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2001, 264). Danach ist die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt worden, es zu unterlassen,

die Internet-Domain „weltonline.de" unabhängig von der Schreibweise, insbesondere unabhängig davon, ob die Zeichenbestandteile in einem oder mehreren Worten und/oder mit einem Punkt oder Strich getrennt geschrieben werden, zu benutzen und/oder benutzen zu lassen und/oder registriert zu halten oder registriert halten zu lassen. Ausgenommen hiervon ist die Internet-Domain „welt-online.de". Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der Beklagten eine gegen die guten Sitten verstoßende vorsätzliche Schädigung der Klägerin gesehen (§§ 826, 226 BGB) und der Klägerin daher einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB zugebilligt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin habe an dem Domainnamen „weltonline.de" ein eigenes kennzeichenmäßiges Interesse. Zwar laute der Titel ihrer Zeitung „Die Welt". Im Internet präsentiere sie die elektronische Ausgabe ihrer Zeitung unter der Adresse „www.welt.de" dagegen als „DIE WELT online". Auf diese Weise entstehe ein neues Titelschlagwort, für das die Klägerin kennzeichenrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen könne. Da die Begriffe „Welt" und „online" rein beschreibender Natur seien, müsse es die Klägerin allerdings hinnehmen, daß Dritte den daraus gebildeten Domainnamen für sich registrieren ließen, um unter dieser Adresse irgendwelche Dienste anzubieten, etwa einen Informationsdienst, der sich auf die Welt als solche beziehe. Anders sehe die Sache aber bei einem Spekulanten aus, der den Zeicheninhaber ohne eigenes Nutzungsinteresse behindern und dazu bringen wolle, den Domainnamen oder eine entsprechende Lizenz zu erwerben. Darin liege unabhängig vom Eingreifen kennzeichen- oder wettbewerbsrechtlicher Normen eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Wer das naheliegende Interesse des Inhabers eines Kennzeichenrechts an der Nutzung eines dem Kennzeichen entsprechenden Domainnamens bewußt in Gewinnerzielungsabsicht auszubeuten versuche, verstoße grob gegen die guten Sitten. So verhalte es sich auch bei der Beklagten. Schon in der Vergangenheit habe die Beklagte wiederholt aus den Kennzeichenrechten Dritter abgeleitete Domainnamen registrieren lassen und sei nur gegen Zahlung eines Entgelts zur Freigabe bereit gewesen. Die Geschäftsidee der Beklagten möge innovativ erscheinen, sei aber sittenwidrig, weil sie vorsätzlich die Behinderung berechtigter Kennzeicheninhaber zum Geschäftemachen einsetze. Bei dieser Sachlage sei auch das von der Klägerin begehrte Schlechthinverbot auszusprechen, weil in keiner denkbaren Schreibweise ein lauterer Gebrauch des Domainnamens durch die Beklagte in Betracht komme. Auch wenn die Klägerin heute Inhaberin des Domainnamens „weltonline.de" sei, bestehe weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beklagte die Entscheidung im Verfügungsverfahren nicht als endgültige Regelung anerkannt habe.

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Klageabweisung.

1. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit der Registrierung des Domainnamens „weltonline.de" die Klägerin i.S. von § 826 BGB in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt.

a) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen läßt sich dem beanstandeten Verhalten der Beklagten kein Verstoß gegen die guten Sitten i.S. von § 826 BGB entnehmen. Zwar kann die Registrierung eines Domainnamens einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen. Im Falle der bloßen Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domainname kommt ein solcher Sittenverstoß jedoch in der Regel nicht in Betracht.

Der Domainname, um dessen Registrierung die Parteien streiten, enthält außer der sogenannten Top-Level-Domain „de" einen aus zwei beschreibenden Begriffen zusammengesetzten Begriff, der wiederum einen weitgehend beschreibenden Inhalt hat. Abgesehen davon, daß die Bezeichnung „weltonline" den Verkehr auf eine Internetausgabe der Tageszeitung „Die Welt" hinweisen mag, handelt es sich um eine - für die Bezeichnung von Internetportalen der Art nach gängige -Zusammensetzung eines Gattungsbegriffs mit dem auf den Internetzugang hinweisenden Zusatz „online". Geht man von dem beschreibenden Inhalt des Begriffs „Welt" aus, vermittelt sie den Eindruck, daß unter dieser Adresse Informationen über die Welt im Internet erhältlich sind. Die Informationen können das Weltgeschehen, also politische und sonstige Nachrichten betreffen, es können aber auch ganz andere Informationen unter diesem denkbar weiten Begriff zusammengefaßt werden.

Die Registrierung generischer Begriffe als Domainnamen ist im Grundsatz keinen rechtlichen Schranken unterworfen. Der Senat hat entschieden, daß es nicht wettbewerbswidrig ist, wenn ein Anbieter einen Gattungsbegriff, an dessen Verwendung als Domainnamen auch Mitbewerber ein Interesse haben können, als Domainnamen registrieren läßt und sich damit einen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern verschafft (BGHZ 148, 1, 5 ff. - Mitwohnzentrale.de). Die Registrierung generischer Begriffe als Domainnamen ist vielmehr weitgehend dem Gerechtigkeitsprinzip der Priorität unterworfen: Der Vorteil, der demjenigen zukommt, der als erster die Registrierung eines beschreibenden Domainnamens erwirkt, kann nicht als sittenwidrig angesehen werden (vgl. BGHZ 148, 1,5 ff. - Mitwohnzentra-le.de). Wie die Erfahrung lehrt, besteht an Gattungsbegriffen als Domainnamen ein reges Interesse. Eine unüberschaubare Zahl solcher Begriffe ist als Domainnamen registriert. Fast zu jedem Gattungsbegriff finden sich im Internet unter dem entsprechenden Domainnamen Informationen, die meist in Zusammenhang mit diesem Begriff stehen. Auch wenn an einem Gattungsbegriff gleichzeitig Namensoder Kennzeichenrechte bestehen, verbleibt es in der Regel beim Prinzip der Priorität der Registrierung, so daß der Inhaber eines Namens- oder Kennzeichenrechts gegen die Verwendung dieser Bezeichnung als Domainname nicht mit Erfolg vorgehen kann, auch wenn der Dritte, der sich diese Bezeichnung hat registrieren lassen und den Domainnamen als Sachhinweis nutzt, über kein eigenes Namens- oder Kennzeichenrecht verfügt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 4.9.2001 - 15 U 47/01; Rev. nicht angenommen: BGH, Beschl. v. 15.8.2002 - l ZR 246/01). Teilweise finden sich unter Domainnamen, die aus einem Gattungsbegriff gebildet sind, auch Portale, die gewerbliche Anbieter gegen Entgelt ebenfalls nutzen können. Aus dieser seit Jahren zu beobachtenden, rechtlich nicht zu beanstandenden Übung hat sich auch das Bedürfnis entwickelt, möglichst viele geeignete Begriffe registrieren zu lassen, die in näherer oder fernerer Zukunft entsprechend eingesetzt werden können. Dabei ist zu beachten, daß die Registrierung eines Domainnamens nicht nur dann sinnvoll ist, wenn unter dieser Adresse ein entsprechender eigener Internetauftritt entstehen soll. Vielmehr kann der Domainname auch in der Weise genutzt werden, daß Nutzer, die diesen Domainnamen eingeben, zu einer anderen Internetseite umgeleitet werden.

b) Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, inwieweit der Klägerin durch die Registrierung des Domainnamens „weltonline.de" ein von der Beklagten vorsätzlich herbeigeführter Schaden entstanden sein oder drohen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich ein solcher Schaden derzeit allein aus dem Umstand der für die Beklagte vorgenommenen Registrierung des Domainnamens „weltonli-ne.de" und der damit verbundenen Blockierung dieses Domainnamens für die Klägerin ergeben könnte. Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich jedoch, daß die Klägerin die Internetausgabe ihrer Zeitung unter dem Domainnamen „welt.de" zugänglich gemacht hat. Auch wenn sie an dem Titel „DIE WELT online" durch Benutzung ein Titelrecht erworben hat, hat dieser Umstand sie nicht dazu veranlaßt, den Domainnamen „weltonline.de" registrieren zu lassen, wozu nicht zuletzt die Auseinandersetzungen der Parteien um den Domainnamen „welt-online.de" Anlaß hätten geben können. Unter diesen Umständen kann aus der vom Berufungsgericht aus anderem Zusammenhang entnommenen Bereitschaft der Beklagten, der Klägerin den Domainnamen „weltonline.de" gegen ein Entgelt zur Verfügung zu stellen, nicht auf eine Schädigungsabsicht geschlossen werden.

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.

a) Der vom Berufungsgericht zugesprochene Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus dem Recht der Klägerin an dem Titel „DIE WELT online" (§ 5 Abs. 3, §15 Abs. 2 MarkenG). Eine Verletzung dieses Titelrechts nach §15 Abs. 2 MarkenG scheidet aus, weil die Registrierung des Domainnamens „weltonline.de" noch keine Benutzung des Titels im geschäftlichen Verkehr darstellt und eine drohende Benutzung in derselben oder einer ähnlichen Branche nicht dargetan ist.

b) Die Klägerin kann das Klagebegehren auch nicht auf ihre bekannte Marke oder ihren bekannten Titel „Die Welt" stützen (§14 Abs. 2 Nr. 3, §15 Abs. 3 MarkenG). Auch insoweit gilt, daß mit der Registrierung von „weltonline.de" noch keine Benutzung dieser Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr verbunden ist. Auch eine durch ein Geschäftsgebaren der Beklagten drohende unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Kennzeichen der Klägerin ist nicht dargetan.

c) Die Frage, ob der Klägerin allein gegen die Registrierung ein Anspruch aus Namensrecht zusteht (§12 BGB), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn mit der Registrierung des Domainnamens eine erhebliche Beeinträchtigung der aus dem Kennzeichenrecht fließenden namensrechtlichen Befugnisse verbunden ist (vgl. BGHZ 149, 191, 198, 201 - shell.de). Hiervon kann im Streitfall keine Rede sein. Die Klägerin, deren Internetausgabe seit jeher über den Domainnamen „welt.de" zugänglich ist, wird nicht dadurch nennenswert behindert, daß „weltonline.de" für sie als weiterer Domainname blockiert ist. Dies läßt sich bereits dem Umstand entnehmen, daß die Klägerin selbst von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, sich den Domainnamen „weltonline.de" registrieren zu lassen.

III. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlauben dem Senat eine abschließende Sachentscheidung. Danach ist das landgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten abzuändern. Die Klage ist abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

 

 

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